Blick-auf-Istanbul

Mein Leben in Istanbul – Teil 2

Ich habe nur 4 Monate in Istanbul gelebt. Aber diese Zeit erscheint mir viel länger. Vielleicht, weil es eine so intensive Zeit, mit allerhand neuen Erfahrungen und Eindrücken war?! Im Grunde waren die Monate in Istanbul mein Einstieg in die türkische Kultur. Hier hatte ich erste Berührungspunkte mit „fremden“ Traditionen, der Verwandtschaft meines Mannes und kulturell geprägten Erwartungen. Und ich bin teilweise völlig unvorbereitet da hinein gerutscht…

Sprachkurs in Istanbul

Nachdem wir eine Wohnung gefunden hatten und etwas Ruhe in unseren Alltag eingekehrte, wollte ich Türkisch lernen. Nicht nur für meinen Mann, der sich darüber natürlich sehr freute, sondern für mich. In Istanbul kommt man nämlich selbst mit Englisch nicht sehr weit! Es hat mich überrascht, dass selbst viele junge Türken (Studenten) kein oder nur sehr schlecht Englisch sprechen. Für eine Unterhaltung hat es oft nicht gereicht. Ich war also in Sachen Verständigung weitestgehend von meinem Mann abhängig.

Also wollte ich Türkisch lernen. Um wenigstens über alltägliche Grundkenntnisse zu verfügen, besuchte ich 2 Monate lang, 3 Mal in der Woche für ca. 6 Stunden einen Intensivkurs in unserer Nähe – naja 20-30 Minuten Fußweg waren es schon. Das Lustige dabei war, dass ich parallel gleich mein Englisch, die Unterrichtssprache, verbessern konnte. Die Kursteilnehmer waren ein buntes Gemisch aller Altersgruppen, aus verschiedenen europäischen Ländern sowie aus Russland und sogar einem jungen türkisch-stämmigen Amerikaner, der in Istanbul die Sprache seiner Mutter lernen wollte.

Die türkische Sprache an sich empfand ich gar nicht so schwer zu lernen, abgesehen von Aussprache und Sprachtempo. Und so freute ich mich, schon nach relativ kurzer Zeit Straßenplakate, Schilder und auch Liedtexte inhaltlich zu verstehen. Allerdings habe ich mich nicht getraut, auch außerhalb des Unterrichts türkisch zu sprechen. Dafür hat es dann doch nicht gereicht…

Soziale Kontakte und charakteristische Besonderheiten

Während unserer Zeit in Istanbul, hatte ich relativ viel Kontakt zu türkischen Studenten. Dabei sind zwei Gruppen besonders hervorgestochen. Diejenigen, die sehr gut Englisch sprechen, oftmals bereits Zeit im Ausland verbracht hatten und sehr (welt)offen erschienen und jene, die „nur“ Türkisch konnten und wahrscheinlich noch nie über den eigenen Tellerrand hinaus geblickt hatten. Letztere habe ich in ihrem Denken und ihren Ansichten als sehr steif, wenig reflektiert und kaum offen für andere Standpunkte und Meinungen wahrgenommen. Indirekt bekam ich durch sie eine erste Vorstellung von dem „zutiefst türkischen Beleidigtsein“, für das ich auch heute noch relativ wenig Verständnis aufbringen kann. Schließlich muss man nicht aus jeder kleinen Mücke einen Elefanten machen…

Ansonsten hatten wir auch Kontakt zu Deutsch-Türken, die seit geraumer Zeit in Istanbul lebten. Es gab nämlich regelmäßige Treffen für Deutsche in Istanbul, die für uns super waren, um sozialen Anschluss zu finden. Für mich war es zudem wirklich spannend zu erfahren, wie jeder einzelne mit den kulturellen Unterschieden sowie seiner eigenen „Bi-Nationalität“ umgeht, was Heimat und Zuhause-sein bedeuten und wie/wo ihre Zukunft liegt.

Erste Berührungspunkte mit türkischen Traditionen

Ramadan fiel in unsere Zeit in Istanbul und so machte ich meine ersten Erfahrungen mit diesem bedeutenden muslimischen Monat und dem anschließenden Zuckerfest ebenfalls hier. Mein Mann war damals noch viel Traditionsbewusster und fastete mehrere Tage von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Daran allein war noch nichts Ungewöhnliches, sondern vielmehr daran, dass ich zum ersten Mal diese Tage in voller Länge mit ihm verbrachte. Und es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man in Anwesenheit eines Fastenden isst und trinkt…

Auch das abendliche Fastenrechen war eine völlig neue Erfahrung. Das andächtige Beisammensitzen, die nach oben gerichteten Handflächen und das „Waschen“ des Gesichtes. Für mich war das gerade am ersten Abend ein wirklich komisches Gefühl mit am Tisch zu sitzen, quasi als stiller Beobachter.

Wir haben natürlich auch, wie es sich gehört, einen Abend zum Ramadan-Essen eingeladen. Als dann im Anschluss das übliche Teeservieren anstand, wusste ich nicht, wie ich mit einer so kleinen Teekanne, Tee für so viele Leute kochen sollte. Auf die Idee, 10 Teebeutel in die Kanne zu hängen und den aufgebrühten Tee dann mit Wasser aus dem Wasserkocher zu strecken, wäre ich bestimmt nicht alleine gekommen. Dafür war ich aber bereits im Besitz schöner traditioneller Teegläser, die an diesem Abend eingeweiht wurden und die, als einziges Wohninventar, Istanbul überlebt und in meinem Koffer ihren Weg nach Deutschland gefunden haben. Diese Teegläser befinden sich heute im Besitz meiner Schwiegermutter, wo sie, anders als bei mir, auch heute noch regelmäßig zum Einsatz kommen.

Türkisches-Teeglas
© Rainer-Sturm / pixelio.de

Einen wirklichen Schock hatte ich, als mein Mann ältere Familienmitglieder „ehrwürdig“ mit einem Handkuss begrüßte! Was ist denn hier los, dachte ich. Wird das jetzt etwa auch von mir erwartet??? Ich hatte von dieser Form der Begrüßung in einem Buch gelesen und dachte, dies wäre eine alte, längst überholte Tradition. Mit dieser Situation in Istanbul hatte ich also absolut nicht gerechnet. Heute weiß ich, dass die Geste eine bestehende, verbreitete türkische Tradition ist und für viele ganz natürlich dazugehört. Für mich persönlich aber ist sie eine kleine Katastrophe. Ich kann einfach niemanden, nur weil er oder sie älter ist, aus Respekt die Hand küssen. Mein Respekt für eine Person leitet sich nicht aus dem Alter ab und drückt sich zudem anders aus. Ich habe den traditionellen Handkuss in Istanbul ein einziges Mal gemacht und fand es schrecklich… Es waren zwar mehrere Erklärungen und längere Diskussionen nötig, wieso, weshalb, warum nicht, was ist denn so schlimm daran… aber letztendlich konnte mein Mann mich verstehen und auch seine Familie akzeptiert es mittlerweile, jedenfalls mir gegenüber, uneingeschränkt.

Heiratsantrag am Bosporus und eine weitere Überraschung

Eine der schönsten Erinnerung, wohl die schönste!, die ich an Istanbul habe, ist der Heiratsantrag am Strand, der für mich völlig unerwartet kam. Natürlich hatte wir bereits darüber gesprochen und sogar schon gestritten, was wäre wenn und wie?! Aber dass es dann doch so schnell ernst werden würde, hätte ich nicht gedacht… Zumal Heiraten nie groß auf meiner Liste stand.

Da der Antrag auch in die Fastenzeit fiel, haben wir ganz romantisch mit „Selters“ angestoßen. Rückblickend etwas skurril, aber durchaus erinnerungswürdig.

Eine weitere Überraschung erwartete mich und diesmal auch meinen Mann nur wenige Wochen nach unserer Verlobung, als sich ganz klar ein zweiter Strich auf dem Schwangerschaftstest abzeichnete. Die Ereignisse in unserem Leben schienen sich zu überschlagen und nicht nur wir, sondern auch unsere beiden Familien mussten einiges verdauen. Viel Zeit zum Durchatmen gab‘s bei uns in diesen und den kommenden Monaten wirklich nicht!

Meine Schwangerschaft leitete dann auch den Abschied aus Istanbul ein. Ich wollte in dieser völlig neuen Situation einfach zurück in mein gewohntes Umfeld, in dem ich mich uneingeschränkt wohlfühlte. Herausforderungen für die Zukunft gab es nun wirklich ausreichend, sodass ich nicht auch noch das Abenteuer Schwangerschaft in Istanbul erleben wollte. Ich sehnte mich ganz einfach nach der Sicherheit des Altbekannten und Vertrauten – nach meiner Heimat Deutschland!

  1. Pingback: Istanbul - Mein Eintritt in eine neue Kultur - Teil 1MAMANNE.de

  2. Herzlichen Dank für diesen interessanten Einblick in das Leben in Istanbul.
    Ich überlege einige Zeit im Ausland zu leben und Istanbl würde mir auch sehr gut gefallen. Allerdings scheint ein Sprachkurs unabänderbar zu sein.

    Alles Liebe für das Eheleben und das Baby.

    Nina

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert