Von Sprachensalat und geduldigen Eltern – Gastbeitrag

Nach der Schule versuche ich, meinen Eltern in meiner kindlichen Aufregung zu erzählen, was mich so beeindruckt hat. Ich ringe nach Worten, wenn sie mir nicht sofort auf Bulgarisch einfallen, eine meiner Muttersprachen, dann sage ich es auf Deutsch. Geduldig hilft mir mal mein Vater, mal meine Mutter, sie sagen mir die Worte, die mir fehlen, übersetzen das Deutsche, das ich zwischendurch einschleuse.

Gelebte Mehrsprachigkeit – eine Herausforderung

In den 1980er und 90er Jahren war mehrsprachige Erziehung nicht angesagt und schon gar nicht wurde sie in der Schule unterstütz. Das Gegenteil war der Fall. Meine Eltern haben erfolgreich gekämpft und mir drei Sprachen mitgegeben, Bulgarisch, Spanisch und Deutsch. Während meines Studiums der Spanischen Philologie habe ich viele Dinge verstanden, die meine Eltern getan haben, um mir Lust auf die Sprache zu machen, oder mir Schreiben und Lesen in drei Sprachen beizubringen. Gelebte Mehrsprachigkeit – dieses Thema faszinierte mich immer mehr. Und nun, selbst Mutter, die ihre Kinder dreisprachig erzieht, merke ich, wie immer noch Eltern wenig Unterstützung erhalten, wenn sie ihre Kinder mehrsprachig erziehen. Es gibt vor allem keine Beratungsangebote. Und so entschied ich mich, das Beratungszentrum Linguamulti (www.linguamulti.at) zu gründen, um Eltern und PädagogInnen zu unterstützen. Ich biete Workshops, Einzelberatung und Video consulting an. Durch das Video Coaching steht das Knowhow von Linguamulti Eltern überall auf der Welt zur Verfügung.

Wie geht man damit um, wenn die eigenen Kinder die Sprachen „vermischen“?

In meiner Arbeit mit den Eltern kommt eine Frage immer wieder auf: Wie geht man damit um, wenn die eigenen Kinder die Sprachen „vermischen“? Wer kennt das nicht? Wenn Sie selbst mehrsprachig sind oder Ihre Kinder so erziehen, wissen Sie, was der Ausdruck „Sprachensalat“ bezeichnet. Manchmal kommt es Ihnen so vor, als würde Ihr Kind keinen einzigen Satz durchgehend in einer Sprache hervorbringen. Es ist ein Salat. Ein Wort auf Deutsch, eines auf Türkisch, oder sogar ein deutsches Wort mit türkischer Endung und umgekehrt. Da stehen den Eltern oft die Haare zu Berge und sie fragen sich voller Sorge, ob ihr Kind jemals wenigstens eine Sprache richtig können wird.
Die Sorge ist erstmal unberechtigt. Ein solches Verhalten ist ganz natürlich. Alle mehrsprachigen Menschen mischen die Sprachen, oder switchen von der einen in die andere. Man nennt es Code-switching und Code-mixing. Ist Ihr Kind noch klein und steckt mitten in der Sprachentwicklung, dann kommt es vor, dass die eine Sprache sich etwas schneller entwickelt als die andere und das Kind „borgt“ sich Worte und grammatikalische komplexere Konstruktionen aus der anderen Spracheaus. Mit der Zeit gewinnt es immer mehr Wortschatz und Sicherheit, die Sprachen unterstützen sich auch in ihren Wachstumsschüben und das Mischen geht zurück. Mischen hat aber auch weitere Funktionen. Manchmal mischen Kinder und auch Erwachsene zum Beispiel, um Aufmerksamkeit zu erlangen, oder einen bestimmten Eindruck zu erwecken. Im Businessleben streuen Manager gerne englische Worte ein, bestimmt tun sie es nicht, weil ihnen das Wort in ihrer Muttersprache nicht einfällt.
Stellen Sie sich vor, Sie sprechen den ganzen Tag in der KITA Deutsch, und wie auf Knopfdruck sollen Sie ab 16:00 Uhr eine andere Sprache sprechen. Das erfordert eine Höchstleistung vom Gehirn. Mit der Zeit wird das „Umschalten“ immer besser gelingen. Es ist aber verständlich, dass erstmal viele Worte in der Sprache präsent sind, die gerade länger gesprochen wurde.

Wie können Sie also Ihr Kind unterstützen?

Zunächst ist es wichtig, dass Sie selbst vor Ihrem Kind die Sprachen nicht „vermischen“. Sie sind ein wichtigstes Vorbild für Ihr Kind. Es orientiert sich an Ihnen und lernt Sprache, indem es Sie nachahmt. Seien Sie geduldig. Helfen Sie Ihrem Kind, wenn Sie merken, es ringt nach einem Wort, oder wenn es ihm offensichtlich nicht einfällt. Es kann sein, dass Sie immer wieder das gleiche Wort übersetzen müssen und Ihr Kind es hartnäckig weiter mischt. Es passiert aber nicht, weil Sie etwas falsch machen. Vielleicht fällt es Ihrem Kind gerade so viel leichterund es braucht etwas mehr Zeit, um die Aussprache oder Bedeutunganzunehmen, die Sie ihm anbieten. Geduld ist in der mehrsprachigen Erziehung Ihr bester Ratgeber.
Letztendlich ist jede familiäremehrsprachige Situation einzigartig und es bedarf deshalb einer individuellen Lösung. Linguamulti bietet Ihnen durch das Video consulting Zugang zu einer Lösung, die genau auf Ihre Familie abgestimmt ist. Ich unterstütze Sie gerne!
Weitere Antworten zu Fragenüber mehrsprachige Erziehung von Eltern und PädagogInnen können Sie auf der Linguamulti Website nachlesen.

Zwetelina OrtegaZu Autorin:
Zwetelina Ortega ist Sprachwissenschaftlerin, Autorin und Expertin für Mehrsprachigkeit. Bis 2011 war sie Dozentin an der Universität Wien, Institut für Romanistik. Als Geschäftsführerin des Vereins „Wirtschaft für Integration“ hat sie den mehrsprachigen Redewettbewerb „Sag’s multi!“ entwickelt. Sie ist Gründerin des Beratungszentrums Linguamulti: Beratung und Workshops für mehrsprachige Erziehung, für Eltern, Kindergärten und Grundschulen, darüber hinaus Rhetorik-Workshops für Jugendliche. Ortega ist dreisprachig mit Bulgarisch, Spanisch und Deutsch aufgewachsen. In diesen drei Sprachen verfasst sie auch ihre literarischen Texte. 2012 erschien der Gedichtband Aз und tú (Edition Yara).

 

Bildquelle: Zwetelina Ortega

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